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Replikate

In einer fachübergreifenden Gemeinschaftsarbeit wurde experimentelle Archäologie betrieben. Beteiligt sind die Töpferin Anika Becker, Archäologe Dr. Bernd Bienert und Keramik-Ingenieur Michael Plein.

feldflasche
mittelalterliche Feldflasche, salzglasiertes Steinzeug


Wer kennt nicht die Faszination, die von einem Handwerk ausgeht, das zu den ältesten der Menschheitsgeschichte gerechnet werden darf. Gemeint ist das Töpferhandwerk, dessen sich der Mensch von der älteren Jungsteinzeit an zu bedienen wusste. Um aus einem Klumpen Ton ein gleichmäßig zentriertes Gefäß hochziehen zu können, bedarf es etliches an Geschick und Erfahrung. Aus Tonplatten und Wülsten ließen sich handgeformte, bzw. mit der Hand aufgebaute Gefäße herstellen. Vom 4. vorchristlichen Jahrtausend an wurde die Töpferei durch die Erfindung der rotierenden Arbeitsfläche (Töpferscheibe) revolutioniert. Die Drehscheibenware verhalf der Branche, deren Ausübung sich bis zum Kunsthandwerk steigern ließ, zu Wohlstand und Ansehen. Mit der industriellen Entwicklung gingen neue Fertigungsverfahren einher: Teilbare Formen wurden produziert, mit denen sich Gefäße durch Gießen oder Pressen in großer Stückzahl auflegen ließen. Maschinelle Serienproduktion und neu aufkommende Materialien trugen schließlich zum Niedergang eines ehemals blühenden, traditionell in der Südeifel beheimateten, an tertiären Tonlagerstätten gekoppelten Handwerkes bei.
Durch höhere Brenntemperaturen nahm die Härte des Materials zu, die Durchlässigkeit des Scherbens ab. Erst mit der Erfindung des salzglasierten Steinzeuges gelang es, lebensmittelechte, undurchlässige Töpferware herzustellen.
Dem Töpfern ging die mühsame Aufbereitung des Arbeitsmaterials voraus. Tonvorkommen mussten aufgespürt, erschlossen und ausgebeutet werden. Bergfrisches Material wurde auf Halde gelegt, über Winter der Witterung ausgesetzt und insbesondere durch Frost aufgebrochen. Durch Sortieren, eventuelles Ausschwemmen und häufiges Kneten entstand plastischer Arbeitston. Speicherer Töpfereien bevorzugten eisenfreie, weißbrennende Tone, die sich zu Irdenware, Proto-, Früh- und salzglasiertem Steinzeug verarbeiten ließen.

warespeicher
geflammte Speicherer Ware, 4. Jh. n.Chr.

Töpfereien erfordern große Kapazitäten an Wasser und Holz. Typenvielfalt und Dekorationsweise zeugen vom Einfallsreichtum der Branche. Etliche Errungenschaften werden durch Zufall entdeckt oder experimentell in Erfahrung gebracht worden sein. Zur Perfektion gereift, trugen sie zur Belebung des Geschäftes bei.
Form, Dekor und Verwendungszweck unterliegen Modeerscheinungen, aus denen sich die zeitliche Abfolge des Warenspektrums ermitteln lässt. Die Bruchgefahr setzt der Gebrauchsdauer keramischer Erzeugnisse ein Ende. Im Gegensatz zu anderen Werkstoffen erweist sich gebrannter Ton, sieht man von dessen Verwendung als Schamotte ab, als unvergänglich. Folglich stellt Keramik die größte, häufigste und oftmals auch einzige archäologische Hinterlassenschaft menschlicher Siedlungstätigkeit dar.
Die Ortsgemeinde Speicher verfügt über zwei museale Einrichtungen: Im „Alten Rathaus“ ist das Heimatmuseum, in der Unternehmenszentrale der PLEWA-Werke GmbH das Töpfereimuseum der Familie Plein-Wagner untergebracht. Letzteres wurde von Jacob Plein-Wagner in den Jahren zwischen 1876/77 und 1903 aufgebaut. Die Ausstellung umfasst Zeugnisse provinzialrömischen, mittelalterlichen und neuzeitlichen Töpferhandwerks. Darüber hinaus wird sie durch Produkte der älteren und jüngeren Firmengeschichte ergänzt.
1901 ließ Jacob Plein-Wagner, Angehöriger einer alteingesessenen Speicherer Krugbäckerfamilie, sein Unternehmen als Offene Handelsgesellschaft (OHG) registrieren. Aus dieser Firma, die anfangs den Namen „Jac. Plein-Wagner-Söhne, Steinzeugfabrik in Speicher“ trug, gingen später die PLEWA-Werke GmbH hervor.
Arbeitsspuren verraten die Vorgehensweise des Töpfers. Unterstützt von Michael J. Plein, Ururenkel des Firmengründers, gelang es, mit den Methoden der experimentellen Archäologie die Arbeitsweise Speicherer Töpfereien zu ergründen. Die anfallenden Töpferarbeiten wurden von Frau Annika Becker ausgeführt. Für den reibungslosen Ablauf des Brandes trug Herr Uwe Heinz Sorge. Werkzeugspuren lassen auf die Verwendung von Drehschienen, Drehspänen, Abdrehschlingen, Abdreheisen, tordierten Abschneidedrähten, Messern, Schäleisen, Modellierhölzern, Schwämmen, Pinseln und Matrizen schließen. Tone und Magerungssubstanzen wurden örtlichen Lagerstätten entnommen. Nachdem für etliche Gefäßtypen der Produktionsablauf erkannt war, konnte der Plan gefasst werden, eine Kollektion originalgetreuer Replikate aufzulegen. Die zur Auswahl gekommenen Gefäßtypen legen Zeugnis für die hohe Leistungsfähigkeit provinzialrömischen und spätmittelalterlichen Töpferhandwerkes ab.(BB)